IV-Rente bei einem Burnout?

Das Bundesgericht befasste sich im Urteil 9C_428/2025 vom 7. November 2025 mit der Frage, ob die Ablehnung einer Rente durch die IV-Stelle Bern bei einem Burnout einer versicherten Person rechtmässig war.

Das Verwaltungsgericht Bern war vorliegend der Ansicht, dass bei der vorliegenden leicht- bis mittelgradigen depressiven Störung kein Gesundheitsschaden mit invalidisierender Wirkung vorliegt. Die Vorinstanz erachtete u.a. die medizinischen Berichte des Hausarztes und der Psychotherapeutin als nicht überzeugend an.

Die versicherte Person machte vor Gericht geltend, die mit ihrem depressiven Leiden verbundenen funktionellen Einschränkungen seien hinreichend gravierend und auch schlüssig belegt. Das vorhandene Behandlungspotenzial spreche nicht gegen eine invalidisierende Wirkung, zumal sie stets die konkreten Therapieangebote genutzt und sich um adäquate Therapie bemüht habe. Jedenfalls wäre für ein Abweichen von der einhellig attestierten vollständigen Arbeitsunfähigkeit zwingend ein unabhängiges psychiatrisches Gutachten unter Einbezug der einschlägigen Indikatoren erforderlich gewesen.  

Das Bundesgericht wies in rechtlicher Hinsicht darauf hin, dass es die invalidenversicherungsrechtliche Relevanz einer (noch) therapierbaren leicht- bis mittelgradigen depressiven Störung nicht grundsätzlich ausschloss (vgl. BGE 148 V 49, E. 6.2.2), sondern betonte, dass es (gemäss BGE 143 V 409 E.4.5.2) Aufgabe der medizinischen Sachverständigen ist, (allenfalls auf Nachfrage hin) nachvollziehbar aufzuzeigen, weshalb trotz lediglich leichter bis mittelschwerer Depression und an sich guter Therapierbarkeit der Störung im Einzelfall funktionelle Leistungseinschränkungen resultieren, die sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken.

Die grundsätzliche Behandelbarkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung schliesst eine Erwerbsunfähigkeit und damit eine rentenbegründende Invalidität begrifflich also nicht von vornherein aus (BGE 151 V 194 E.5.1.3 mit Hinweisen auf u.a. BGE 151 V 66 E. 5.9 und 5.11; 145 V 215 E. 8.2; 143 V 409 E. 4.4; Urteil 9C_327/2022 vom 10. Oktober 2023 E. 4.2).

Das Bundesgericht betonte, dass bei einem noch nicht austherapierten Leiden ein Rentenanspruch entstehen kann, wenn keine aus Eigeninitiative umsetzbare Selbsteingliederungspflicht besteht, weil die versicherte Person es nicht ohne Weiteres (z.B. durch Einnahme verschriebener Medikamente) selber in der Hand hat, Arbeitsfähigkeit herzustellen oder auf ihre Eingliederungsfähigkeit hinzuwirken (BGE 151 V 194 E. 5.1.4 mit Hinweisen).  

Zusammenfassend kam das Bundesgericht zum Schluss, dass bei einem depressiven Leiden mit Therapiepotential nicht per se aus rechtlichen Gründen auf eine Verneinung der IV-Rente geschlossen werden kann. Die Vorinstanz durfte nicht ohne Weiteres einen Gesundheitsschaden mit invalidisierender Wirkung im Rechtssinne verneinen.

Im konkreten Fall haben alle behandelnden Fachpersonen der Versicherten eine vollständige Arbeitsunfähigkeit attestiert. Auch der RAD führte nachvollziehbar aus, dass der Versicherten insofern, als ihr keine adäquate Therapie angeboten worden sei, ein Leidensdruck nicht abgesprochen werden könne. Die Pflicht zur Selbsteingliederung kann nur die Inanspruchnahme zumutbarer Behandlungen umfassen, zu welchen die Möglichkeit besteht (Urteil 8C_741/2018 vom 22. Mai 2019 E. 4.1).

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut und verpflichtete die IV-Stelle ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag zu geben.

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