
Mit Urteil 4A_193/2025 vom 15. September 2025 fällte das Bundesgericht einen wichtigen neuen Leitentscheid betreffend die Übergangsfrist in der Krankentaggeldversicherung.
Immer mehr Krankentaggeldversicherungen ändern ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Ungunsten der versicherten Personen ab, indem Sie bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit ein Übergangstaggeld vertraglich ausschliessen. Mit diesem Vorgehen wird den versicherten Personen eine Übergangsfrist für einen allfälligen Stellenwechselgestrichen.
Die Helsana Krankentaggeldversicherung hält in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Ziff. 23.10 z.B. folgendes fest:
"Die versicherte Person, die in ihrem angestammten Beruf voraussichtlich dauernd voll oder teilweise arbeitsunfähig bleibt, ist verpflichtet, ihre allfällig verbleibende Arbeitsfähigkeit zu verwerten, auch wenn dies einen Berufswechsel erfordert. Helsana kann die versicherte Person zu einem Berufswechsel auffordern und ein Übergangstaggeld ausrichten. Die Aufforderung zu einem Stellenwechsel in angestammter Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber entspricht nicht einem Berufswechsel und löst keinen Anspruch auf ein Übergangstaggeld aus."
Das Bundesgericht schafft nun Klarheit und erteilt dieser Praxis der Versicherungen eine Absage. Wenn eine versicherte Person lediglich an dem bisherigen Arbeitsplatz arbeitsunfähig ist, muss die Krankentaggeldversicherung während einer Anpassungszeit für den Stellenwechsel das Taggeld grundsätzlich weiterbezahlen.
Vertragsklauseln wie diejenige der Helsana Krankentaggeldversicherung sind nicht mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vereinbar und verstossen gegen den Grundsatz von Treu und Glaube.
Das Bundesgericht hält u.a. fest:
- Der gänzliche vertragliche Ausschluss einer Übergangsfrist bei stellenbezogener Arbeitsunfähigkeit widerspricht wertungsmässig klarerweise der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der auch für Privatversicherungen gilt, die Einräumung einer Übergangsfrist ableitet (E 4.3).
- Auch der blosse Stellenwechsel muss aufgrund der konkreten Verhältnisse zumutbar und effektiv realisierbar sein, was der generelle vertragliche Ausschluss einer Übergangsfrist gemäss Ziffer 23.10 letzter Satz AVB in keiner Weise berücksichtigt (E. 4.4).
- Die versicherte Person muss mitunter zur Erfüllung ihrer Schadenminderungsobliegenheit einen Berufswechsel vornehmen. Erwartet der Versicherer von der versicherten Person einen solchen Berufswechsel, muss er ihr dies mitteilen. Zusammen mit der Abmahnung zum Berufswechsel muss der versicherten Person eine angemessene Übergangsfrist eingeräumt werden, während derer sie sich anpassen und eine neue Stelle finden kann. Diesbezüglich hat sich in der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung eine Frist von drei bis fünf Monaten etabliert, welche auch im Rahmen von Krankentaggeldversicherungen nach VVG Gültigkeit beansprucht (BGE 133 III 527 E. 3.2.1; Urteile 4A_49/2023 vom 3. Mai 2023 E. 3.3.1; 4A_384/2019 vom 9. Dezember 2019 E. 5.3 mit Hinweisen).
- Die zu gewährende Übergangsfrist dient nicht nur der Umschulung, sondern vielmehr generell der Anpassung und Stellensuche. Aus dem Zweck der Übergangsfrist folgt, dass während dieser Frist Taggelder weiterhin gemäss der Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf zu leisten sind (Urteil 4A_73/2019 vom 29. Juli 2019 E. 3.3.3 mit Hinweisen).
Grundsätzlich ist also auch bei einem blossen Stellenwechsel eine angemessene Übergangsfrist zu gewähren. Dieser Entscheid des Bundesgerichts schafft Klarheit für die versicherten Personen und es bleibt zu hoffen, dass die Versicherungen Ihre gegen Treu und Glauben verstossende Praxis nun anpassen.